Familienrecht Bielefeld - Nachehelicher Unterhalt
Kanzlei für Familienrecht in Bielefeld
Auch die Frage des nachehelichen Unterhaltes ist sinnvoller Weise im Scheidungsverbundverfahren zu klären, auch wenn dies im Gegensatz zum Versorgungsausgleich nicht zwingend ist.
Für den Verbund spricht zum einen die Kostenfrage. Wenn der Unterhalt im Verbund geklärt wird, erhöht sich zwar der Streitwert für das Verbundverfahren. Da aber sowohl die Gebührentabelle für Rechtsanwälte, als auch die Gerichtskostentabelle massiv degressiv sind, ist es viel günstiger, ein Verfahren mit einem höheren Streitwert zu führen, als zwei Verfahren mit einem geringeren Streitwert, sofern die Gesamtsumme dieselbe ist.
Zum anderen enden Titel zum Trennungsunterhalt automatisch mit der Rechtskraft der Scheidung. Wenn zu diesem Zeitpunkt also noch kein Titel zum nachehelichen Unterhalt existiert, braucht der Unterhaltspflichtige erstmal nicht mehr zu zahlen.
Wie bereits oben erwähnt, sind die Voraussetzungen für den nachehelichen Unterhalt enger und werden auch deutlich stärker geprüft, als beim Trennungsunterhalt.
Grundsätzlich unterscheidet man sechs Unterhaltsansprüche.
Zu beachten ist, dass es hier immer um den Unterhaltsanspruch des Ehegatten geht, nicht um den des Kindes!
- 1. Unterhalt wegen Betreuung eines gemeinsamen Kindes
- 2. Unterhalt wegen Alters
- 3. Unterhalt wegen Krankheit oder Gebrechen
- 4. Unterhalt wegen Erwerbslosigkeit und wegen Wegfalls einer nicht nachhaltig gesicherten Erwerbstätigkeit
- 5. Unterhalt wegen Wegfall einer nicht nachhaltig gesicherten Erwerbstätigkeit
- 6. Aufstockungsunterhalt
- 7. Ausbildungsunterhalt
- 8. Billigkeitsunterhalt
- 9. Wiederaufleben von Unterhaltsansprüchen
- 10. Unterhalt bei Tod des Unterhaltsverpflichteten
1. Unterhalt wegen Betreuung eines gemeinsamen Kindes
Der Betreuungsunterhalt hat die größte praktische Bedeutung. Durch die Änderung des Unterhaltsrechts 2008 haben sich dabei wesentliche Änderungen ergeben. Danach ist der Unterhaltsanspruch nur noch für die ersten drei Jahre nach der Geburt eines Kindes festgeschrieben. Anschließend ist im Einzelfall zu prüfen, welche Betreuungsmöglichkeiten für das Kind/die Kinder bestehen und in welchem Umfang der betreuende Elternteil wieder arbeiten kann.
Dabei sind auch alle Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen, wie zum Beispiel erhöhter Betreuungsbedarf bei behinderten Kindern oder auch einfach die Zahl der zu betreuenden Kinder. Ein festes Altersphasenmodell, wie es nach altem Recht angewendet wurde, gibt es nicht mehr.
Praktisch wird aber trotzdem nicht verlangt, dass der betreuende Elternteil mit der Vollendung des 3. Lebensjahres wieder voll arbeitet. Meist ist dies aufgrund der angebotenen Betreuungszeiten der Kinder auch gar nicht möglich. Allerdings wird erwartet, dass der betreuende Elternteil ab diesem Alter überhaupt wieder arbeitet. Tut er dies nicht, kann ihm das zunehmend zum Nachteil gereichen.
Bei der Prüfung der zur Verfügung stehenden Betreuungsmöglichkeiten sind auch Betreuungsangebote durch den anderen Elternteil zu berücksichtigen. Wenn also beispielsweise der Vater anbietet, die Kinder aus dem Kindergarten oder der OGS abzuholen, weil ihm dies aufgrund seiner Arbeitszeiten möglich ist, und die Kinder dann später zur Mutter zu bringen, kann sich die Mutter im Zweifel nicht darauf berufen, nicht arbeiten zu können, da sie die Kinder nicht rechtzeitig abholen kann. Gleiches gilt, wenn die Großeltern anbieten, sich an der Betreuung zu beteiligen. Sofern keine tatsächlichen, das Kindeswohl gefährdenden Gründe dagegen stehen, sind auch solche Betreuungsangebote zu nutzen.
Selbstverständlich ist auch zu berücksichtigen, wie viele Kinder tatsächlich zu betreuen sind und in welchem Umfang eine Erwerbstätigkeit praktisch möglich ist. Dies kann aber ausgesprochen schwierig werden, wenn mehrere Kinder aus verschiedenen Ehen betreut werden müssen und dies in der Summe dazu führt, dass eine Erwerbstätigkeit nicht möglich ist. Wenn aber nur das letzte von 3 oder 4 Kindern von dem zuletzt geschiedenen Ehemann stammt, so ist diesem auch nur die Belastung durch dieses Kind entgegenzuhalten und nicht auch die Belastung durch die anderen Kinder. Die Gesamtbelastung wird zwar im Rahmen der Billigkeitsabwägung eine Rolle spielen, allerdings wird der Betreuungsunterhalt trotzdem irgendwann enden. Für die Fortführung des Unterhaltsanspruchs aus anderen Gründen (siehe unten), kommt es dann umso stärker auf das Vorliegen ehebedingter Nachteile an. Hier wird sich dann spätestens die Frage stellen, inwieweit die beruflichen Nachteile tatsächlich durch diese Ehe entstanden sind und inwieweit sie vorher schon vorhanden waren. Wenn der Unterhaltsanspruch dann an dieser Stelle endet, kann das dramatische Folgen haben, da ein beruflicher Wiedereinstieg nach 10 oder mehr Jahren Pause nur noch sehr schwer möglich ist.
Insofern ist es für den betreuenden Elternteil immer sinnvoll, die vorhandenen Betreuungsangebote zu nutzen und sich frühzeitig um die eigene berufliche Entwicklung zu bemühen, da nur dies auf Dauer und mit einer gewissen Sicherheit den eigenen Lebensstandard sichern kann.
2. Unterhalt wegen Alters
Der Unterhaltsanspruch wegen Alters setzt zunächst voraus, dass der Unterhaltsberechtigte aufgrund seines Alters nicht mehr in der Lage ist für seinen Unterhalt selbst zu sorgen. Dies ist unstreitig der Fall, wenn das Renteneintrittsalter erreicht ist. Je weiter Sie davon noch entfern sind, desto schwieriger wird der Nachweis.
Darüber hinaus ist erforderlich, dass bis zu diesem Zeitpunkt einen Unterhaltsanspruch wegen Kinderbetreuung, Krankheit oder Erwerbslosigkeit bestanden hat, oder dass die Ehe erst zu diesem Zeitpunkt geschieden wurde.
Das bedeutet, wenn Sie bis zum Alter von 55 Jahren einen dieser Unterhaltsansprüche hatten, dann aber für einige Zeit kein Unterhaltsanspruch mehr bestand, kann dann ein Unterhaltsanspruch wegen Alters, auch bei Vorliegen der übrigen Vorraussetzungen, nicht mehr entstehen.
3. Unterhalt wegen Krankheit oder Gebrechen
Auch dieser Anspruch muss im Zeitpunkt der Scheidung vorliegen oder aber bei Wegfall eines Unterhaltsanspruchs wegen Kinderbetreuung, Ausbildung oder Erwerbslosigkeit.
Die Krankheit oder das Gebrechen müssen bewiesen werden, ebenso der Umfang der Erkrankung und der Umfang der Einschränkung der Erwerbsfähigkeit.
Soweit dies möglich ist, muss eine Erwerbsminderungsrente beantragt werden. Das hierzu erstellte Gutachten kann dann auch im Unterhaltsverfahren zum Nachweis der Erwerbsminderung herangezogen werden. Andernfalls muss im gerichtlichen Verfahren die Erstellung eines Gutachtens beantragt werden, sofern die vorliegenden ärztlichen Atteste und Befunde nicht ausreichen. Hierbei wird es erheblich auf die Art der Erkrankung ankommen. Wer akut an Krebs erkrankt ist, dürfte absehbar unstreitig erwerbsunfähig sein. Bei psychischen Erkrankungen ist dies schwieriger nachweisbar.
Sofern eine nur teilweise Erwerbsunfähigkeit festgestellt wird, ist der oder die Unterhaltsberechtigte verpflichtet, im Rahmen der festgestellten Möglichkeit einer Erwerbstätigkeit nachzugehen.
Tut er oder sie dies nicht, kann das erzielbare Einkommen fiktiv angerechnet werden.
Ist der oder die Berechtigte trotz intensiver Bemühungen nicht in der Lage, einen entsprechenden Arbeitsplatz zu finden, kommt ein Unterhaltsanspruch wegen Erwerbslosigkeit in Betracht.
4. Unterhalt wegen Erwerbslosigkeit und wegen Wegfalls einer nicht nachhaltig gesicherten Erwerbstätigkeit
Auch für diesen Anspruch ist zunächst Vorrausetzung, dass der Unterhaltsanspruch bei Scheidung oder bei Wegfall eines anderen Unterhaltsanspruchs gegeben ist.
Da dieser Unterhaltsanspruch den Fall betrifft, dass ein Bedürftiger ohne alters- oder krankheitsbedingte Einschränkungen und ohne Kinderbetreuung nicht erwerbsfähig ist, werden an die Bemühungen des Bedürftigen um einen Arbeitsplatz hohe Anforderungen gestellt. Dies bedeutet, dass der oder die Bedürftige anhand seiner Bewerbungen nachweisen muss, dass er/sie tatsächlich keinen Arbeitsplatz finden kann. Auch bei der Frage, was für eine Tätigkeit zumutbar und angemessen ist, muss der Grundsatz der wirtschaftlichen Eigenverantwortung besonders beachtet werden. Dies bedeutet, dass eine vor oder in der Ehe ausgeübte Tätigkeit immer angemessen ist, auch wenn sie nicht dem Ausbildungsstand entspricht. Wenn ein Unterhaltsberechtigter oder eine Unterhaltsberechtigte eine selbstständige Tätigkeit ausübt, die jedoch keinen oder keinen ausreichenden Gewinn abwirft, kann er oder sie verpflichtet werden, eine abhängige Beschäftigung aufzunehmen.
Daraus ist bereits zu entnehmen, dass der Unterhalt wegen Erwerbslosigkeit nur den Zeitraum bis zur Erlangung einer Erwerbstätigkeit überbrücken soll. Dies sagt gleichzeitig, dass der Unterhaltsberechtigte verpflichtet bleibt, sich um die Aufnahme einer Erwerbstätigkeit zu bemühen und diese Bemühungen im Zweifel auch nachzuweisen.
5. Unterhalt wegen Wegfall einer nicht nachhaltig gesicherten Erwerbstätigkeit
Häufig wird der Unterhaltsberechtigte aber Probleme haben, den gewünschten, unbefristeten Arbeitsplatz direkt zu bekommen. Meist bleibt nur der Weg über Zeitarbeitsfirmen oder befristete Arbeitsverhältnisse. Da mit der Aufnahme auch eines solchen Arbeitsplatzes der Unterhaltsanspruch ganz oder teilweise entfällt, scheuen sich viele Unterhaltsberechtigte eine solche Tätigkeit überhaupt erst aufzunehmen. Um dies zu vermeiden, hat der Gesetzgeber die Möglichkeit eröffnet, den Unterhaltsanspruch wieder aufleben zu lassen, wenn eine solche Tätigkeit wieder aufgegeben werden muss. Dies gilt allerdings nicht für den Fall einer Insolvenz des Arbeitgebers, da diese alle Arbeitnehmer betrifft und nicht nur befristete Arbeitsverhältnisse. Außerdem gilt diese Regelung nicht für Fälle, in denen das nicht nachhaltig gesicherte Arbeitsverhältnis wegen Verschuldens des Arbeitnehmers personenbedingt gekündigt wurde.
6. Aufstockungsunterhalt
Der Aufstockungsunterhalt ist gleicht Unterschiede im Einkommen aus und ist neben dem Betreuungsunterhalt der häufigste Unterhaltsanspruch.
Vorraussetzung für einen Anspruch auf Aufstockungsunterhalt ist daher zunächst, dass nach Abzug vorrangiger Unterhaltsansprüche, wie zum Beispiel Kindesunterhalt für minderjährige oder privilegierte volljährige Kinder, noch ein Einkommensgefälle besteht. Dieses darf auch nicht nur unerheblich sein. Der errechnete Unterhaltsanspruch muss in der Regel mindestens 10 % des Nettoeinkommens des Berechtigten erreichen, um relevant zu sein. Ausnahmen bestätigen auch hier die Regel, zum Beispiel wenn der Berechtigte gar keine realen Einkünfte hat, sondern sich lediglich fiktive Einkünfte zurechnen lassen muss.
Fiktive Einkünfte können dann zugerechnet werden, wenn der Berechtigte verpflichtet ist, einer Erwerbstätigkeit nachzugehen, dies aber nicht tut und nicht nachweisen kann, dass er alles was möglich ist getan hat, um einen Arbeitsplatz zu bekommen.
7. Ausbildungsunterhalt
Voraussetzung für den Ausbildungsunterhalt ist zunächst, dass eine Ausbildung im Zusammenhang mit der Ehe, zum Beispiel wegen Umzug oder Geburt eines Kindes, abgebrochen wurde.
Ist dies der Fall, darf der Unterhaltsberechtigte die Ausbildung wieder aufnehmen oder eine neue Ausbildung beginnen. Dies muss allerdings so schnell wie möglich passieren. Der Berechtigte kann also nicht erst mehrere Jahre Unterhalt beziehen und wenn der Anspruch wegzufallen droht, mit einer Ausbildung beginnen.
Weitere Voraussetzung ist, dass der angestrebte Abschluss zu einer nachhaltigen Sicherung des Lebensunterhaltes führen wird. Die Finanzierung eines Studiums der Kunstgeschichte oder Archäologie dürfte auf diesem Weg nur schwer finanzierbar sein, da auch bei erfolgreichem Abschluss eines solchen Studiums, aufgrund der Arbeitsmarktsituation, nicht damit zu rechnen ist, dass der Abschluss zu einer Sicherung des Lebensunterhaltes führt.
Darüber hinaus muss absehbar sein, dass die Ausbildung zeitnah erfolgreich abgeschlossen wird. Dies dürfte in Fällen problematisch sein, wo ein Jurastudent oder eine Jurastudentin im 25. Semester abgebrochen hat, da dann kaum damit zu rechnen ist, dass das Studium tatsächlich noch beendet wird. Dies kann aber anders bewertet werden, wenn die lange Studienzeit damit zu erklären ist, dass der Berechtigte zwischendurch Kinder bekommen und betreut hat, ohne sich deswegen exmatrikulieren zu lassen, irgendwann aber einsieht, dass das Studium neben der Betreuung nicht funktioniert.
Grundsätzlich ist auch hier jeder Fall mit seinen konkreten Umständen gesondert zu betrachten und zu bewerten. Feste Regeln gibt es dafür nicht.
8. Billigkeitsunterhalt
Der Billigkeitsunterhalt ist der schwächst aller Unterhaltsansprüche. Er fungiert als Auffangtatbestand in Fällen, in denen eigentlich kein Unterhaltsanspruch besteht, dieses Ergebnis aber unter Würdigung der Gesamtumstände grob unbillig wäre.
Schwierig ist hier bereits der Begriff „grob unbillig“. Dieser klingt nicht nur schwammig, er ist es auch. Unter dem Strich kann man ihn wohl am ehesten mit „ungerecht“ übersetzen. Leider hilft das auch nicht viel weiter, da auch die Definition von „gerecht“ schwierig ist. Letztendlich wird es dabei auf den Standpunkt ankommen.
Zum Beispiel fallen hierunter Fälle, in denen ein Ehegatte wegen der Betreuung eines nichtgemeinschaftlichen Kindes nicht arbeiten kann. Nun wird der Ehemann sagen, „Was habe ich mit diesem Kind zu tun?“. Die betreuende Mutter wird sagen, „Du hast mich mit dem Kind geheiratet und es kam dir auch sehr gelegen, dass ich zu Hause war und den Haushalt versorgt habe.“.
Was ist nun gerecht? Letztendlich wird man sich hier alle Umstände ansehen müssen. Die Dauer der Ehe, die Rollenverteilung in der Ehe unabhängig von der Kinderbetreuung und natürlich die Einkommensverhältnisse.
9. Wiederaufleben von Unterhaltsansprüchen
Scheitert im zuletzt genannten Fall der Unterhaltsanspruch gegen den Ehegatten, weil dieser nicht leistungsfähig ist, kann der Anspruch gegen einen früheren Ehegatten wieder aufleben, wenn der Unterhaltsberechtigte wegen der Betreuung der Kinder aus dieser früheren Ehe nicht arbeiten kann. Die Haftung des früheren Ehemannes tritt aber immer erst dann ein, wenn der zweite Ehemann nicht zahlen kann.
10. Unterhalt bei Tod des Unterhaltsverpflichteten
Stirbt der Unterhaltsverpflichtete, so richtet sich der Anspruch künftig gegen den Erben. Dieser Anspruch ist jedoch begrenzt. Der Erbe braucht Unterhalt nur in der Höhe zahlen, in welcher der Unterhaltsberechtigte einen Pflichtteilsanspruch gehabt hätte, wenn die Ehe nicht geschieden worden wäre.